Ein Gespräch auf Hochschulniveau
Neue Westfälische vom 06.10.2017
Herford (nw). "Ich bin schon ein wenig aufgeregt", sagt Thilo Scholz. Seit zwölf Jahren unterrichte er im Fach Erziehungswissenschaften die Theorien von Professor Klaus Hurrelmann und jetzt neben ihm zu sitzen und mit ihm darüber sprechen zu können, sei etwas ganz besonderes, sagt der Lehrer für Erziehungswissenschaften.
Aber eigentlich ist er nur zu Besuch da. Die Verantwortlichen der Aktion seien die Schüler. "Vanessa Herzog hatte während des Unterrichts die Idee, den Professor persönlich einzuladen, um über seine Theorie der produktiven Realitätsverarbeitung zu sprechen", sagt Klassenlehrerin Christina Greife. Wie die 22-Jährige Vanessa Herzog besuchen 31 weitere Mitschüler die Jahrgangsstufe 13 am Anna-Siemsen-Berufskolleg. Sie absolvieren die Ausbildung zu Erziehern und machen parallel die Allgemeine Hochschulreife. Aktuell werden in ihrem Leistungskurs Erziehungswissenschaften die acht Maxime vom Modell der produktiven Realitätstheorie des Wissenschaftlers erlernt: Der Jugendliche setzt sich dabei mit seiner inneren Realität (Körperliches und physisches Ich) und seinem sozialen Umfeld auseinander und formt so seine Persönlichkeit. Erstmalig ist diese Theorie auch Themenvorgabe im Zentralabitur 2018.
"Bei so einer charmanten Anfrage - wie konnte ich da widerstehen?!" sagt der deutschlandweit bekannte Sozial- und Bildungswissenschaftler, der in Berlin als Professor für Public Health and Education an der Hertie School of Governance doziert. Er bezieht sich damit auf die Einladungsmail von Vanessa Herzog.
"Meine Studien sind in gewisser Weise das Sprachrohr der Jugend. Es wird immer gesagt, die Jugend von heute sei nicht mehr das, was sie mal war, aber sie muss heutzutage auch viel mehr leisten. Man könnte sagen, sie sind heute so gut wie nie zuvor", sagt der Kindheits-und Jugendforscher. In einem Sitzkreis genoss er es sichtlich, mit den 17- bis 22- Jährigen zu kommunizieren. Die Schüler erzählten von den praktischen Erfahrungen mit Kindern während eines Praktikums und stellten ihm Fragen rund um das Thema.